Ende des Jahres 2023 wird im Chor die Frage gestellt, wer mit nach Tansania reisen möchte. Ich war bei der ersten Reise nicht dabei, habe mir diese anstrengende Reise damals neben der Arbeit nicht zugetraut. Das Argument gibt es jetzt nicht mehr. Ich spreche mit meiner Hausärztin darüber und die sagt nur: „Machen Sie das, sofort!!!“
03.09.2024
Erstes Treffen der Reisegruppe – interessant, wer alles mitfährt. Ungefähr die Hälfte der Gruppe ist jünger als 30 Jahre, eine gute Mischung, die sich vom Ende der Reise her gesehen als sehr, sehr besonders anfühlt. Wir erfahren das ungefähre Programm, lernen die ersten Worte in der Landessprache: Habari gani?
29.09.2024
Zweiter Tansania-Treff. Wir besprechen die Reiseabläufe, Formalitäten, Reisegepäck … und singen.
03.10.2024
Drittes Treffen und diesmal singen wir viel zusammen. Ich bin beeindruckt, was so ein ad hoc-Chor zustande bringt.
Freitag, 18.10.2024
Morgens um 7.30 Uhr trifft sich die Gruppe auf dem Flughafen. Alles klappt trotz des umfangreichen Gepäcks – Instrumente gehören auch dazu – ziemlich gut. Mit Verspätung starten wir – das Abenteuer beginnt.
In Istanbul haben wir drei Stunden Aufenthalt, dann geht es weiter: 6 Stunden, 45 Minuten in Daressalam. Alle gemeinsamen Aufenthalte werden genutzt, um Kontakt mit allen Mitreisenden zu bekommen. Ankunft in Daressalam um 1:43 Uhr nachts.
Samstag, 19.10.2024
In der Eingangshalle des Flughafens erwartet uns Erasto, der Leiter der Elu-School und bringt uns mit unseren beiden Bussen ins Hotel. Was für ein herzlicher Empfang und was für eine Geste. Wir fahren durch das nächtliche Daressalam und bekommen schon erste Eindrücke von der Stadt und dem Land. Trotz der nächtlichen Stunde beobachten wir viel Verkehr und Aktivität am Straßenrand. Unser Hotelzimmer ist eiskalt, wir kriegen die Klimaanlage nicht in den Griff. Notgedrungen schmeißen wir alles über uns, was wir im Handgepäck dabei haben – und das ist nicht viel. Trotzdem gibt es etwas Schlaf. Nach dem Frühstück geht es im Bus weiter nach Morogoro. Das gesamte Gepäck ist in den kleinen Bussen mit „Tetris-Experten“ aufgeschichtet, Sicherheit spielt keine Rolle. Neidisch schauen wir auf alle LKWs mit tollen Spanngurten. So etwas hätten wir auch gern.
Dann geht es in sechsstündiger Fahrt nach Morogoro, raus aus Daressalam, zunächst auf einer vierspurigen Straße. Viele, viele LKWs sind unterwegs und Mopeds in allen Größen. Magere Ziegen stehen am Straßenrand, dahinter Wellblechhütten oder wacklige Obstverkaufsstände. Gegen halb sechs Ankunft im St. Thomas Hostel. Eine Oase der Schönheit im staubigen afrikanischen Land.
Sonntag, 20.10.2024 – erste Eindrücke, extreme Gegensätze
Kleines Frühstück am Morgen: Pfannkuchen, Toast, löslicher Kaffee und Melone. Danach kurze Chorprobe in der Kapelle vor Ort. Sonntägliche Stimmung macht sich breit, dann Aufbruch in die City. Dort bilden wir vier Gruppen: Sonja, Kolja, Erasto und seine Frau Happy leiten die Gruppen durch das Gewimmel der Stadt. Stoffläden und eine riesige Markthalle stehen auf dem Programm. Nicht nur die Frauen erfreuen sich an den vielen bunten Stoffen. Etliche von uns wollen sich in den nächsten Tagen etwas nähen lassen. Zum Mittagessen treffen wir uns alle in einem riesigen Restaurant, in dem auch Einheimische speisen. Nachmittags wieder eine Chorprobe in unserer Kapelle. Abends wandern wir in ein großes Hotel und werden dort köstlichst versorgt. Unterwegs sehen wir schon vieles von Morogoro. Es gibt extreme Gegensätze. Aber überall, wo wir hinkommen, werden wir freundlich und herzlich begrüßt. Man begegnet uns mit großem Interesse.
Montag, 21.10.2024 – erster Schultag
Ein aufregender Tag beginnt um 9 Uhr: Abfahrt zur Elu-School. Der Bus braucht ungefähr eine Stunde, dabei geht es über holprige Wege mit tiefen Löchern (die Straßen in Hamburg sind trotz Schäden im Vergleich höchster Standard) und viel Sand. Die Fahrt ist abenteuerlich und zeigt uns viel von der Gegend. Spärliche Vegetation, Frauen, die auf dem Kopf schwere Lasten bewegen und immer wieder Mopeds, die Verkehrsmittel Nummer eins.
Die Schülerinnen und Schüler erwarten uns schon oder werden zusammengetrommelt. Erasto stellt uns vor, die Schüler und Lehrer begrüßen uns gespannt.
Wir machen mit Erasto einen Gang über das Schulgelände. Mit unseren Augen gesehen liegt hier viel im Argen: gekocht wird mit einfachsten Mitteln, die Ausstattung der Klassenräume ist zum Teil defekt, aber für tansanische Verhältnisse gibt es auch Luxus: die Kinder können eine Schule besuchen und lernen – bestimmt lernen sie auch gegen die Armut. Das ist zu hoffen.
Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern singen wir „I have a Dream“ von Abba und stehen mitten zwischen den kleinen Kindern – ein so bewegender Moment, der zu meinen schönsten auf der Reise gehört. Die mich umgebenden Kinder sind sehr interessiert an den weißen Besuchern und fragen neugierig nach Namen und Familienverhältnissen. Und erzählen aber auch von sich.
Am späten Nachmittag haben wir im Freien noch eine Chorprobe mit einem anderen Chor – ein wahres Erlebnis. Stimmgewaltig werden wir mit „Jesu bleibet meine Freude“ und „Halleluja“ an die Wand gesungen. Der Sopran macht uns platt.
Dienstag, 22.10.2024
Heute ist wieder Schule mit eigenen Aktivitäten der deutschen Gruppe angesagt: einige spielen mit den mitgebrachten Geigen und lernen erste Töne auf der Trompete und der Gitarre, andere machen Kreisspiele oder setzten die mitgebrachten Mikroskope in der Oberstufe ein. Wir falten in der dritten Klasse Frösche aus buntem Papier. Die Kinder umlagern uns, wir müssen helfen bzw. die Ergebnisse bewundern. Alle scheinen dankbar für unsere Nähe und unseren Einsatz.
Abschließend singen wir wieder mit Schülern unter der Anleitung eines jungen Lehrers, diesmal auf Suaheli. Die Kinder singen und tanzen, auch die Lehrer machen mit der gleichen Begeisterung mit.
Mittwoch, 23.10.2024 – Wandertag
Morgens brechen wir früh in zwei Gruppen zur Wandern zur Morning Side auf. Die einen begeben sich auf den langen Weg, die anderen wählen eine kürzere Route, bei der aber auch schöne Ausblicke möglich sind und wir mit Einheimischen in Berührung kommen. Wir treffen uns alle später in Rocks Garden. Nach diesem anstrengenden Spaziergang ist erst mal ein bisschen Ruhe angesagt. Abends treffen sich viele von uns dicht gedrängt in der Runde vor dem Hostel und lassen den Tag Revue passieren.
Donnerstag, 24.10.2024 – Ruhetag
Heute gibt es einen verordneten Ruhetag, den etliche nutzen, um noch einmal in kleinen Gruppen in die City von Morogoro zu laufen bzw. einen Gang durch die Siedlung zu machen. Hier werden wir Weißen sofort als Attraktion wahrgenommen und freundlich winkend begrüßt. Nachmittags proben wir mit der Majestic Free Group in unserer Kapelle – eine eindrucksvolle Veranstaltung. Wir singen auf Deutsch „Hebe deine Augen …“ und „Siehe der Hüter Israels …“. Ein intensiver Nachmittag – kräftige Stimmen der Gruppe verstärken unseren Chor.
Abends gehen wir zu einem traditionellen Kulturabend in der Nähe. Verschiedene Tanzperformances und Trommelstücke füllen den Abend. Wir werden von den Akteuren aufgefordert, mitzutanzen … und versuchen es – aber nur mit mäßigem Erfolg.
Freitag, 25.10.2024 – zweiter Schultag
Heute ist wieder Elu-School-Tag. Ich begleite in der zweiten Klasse das Formenzeichnen. Das ist für die Kinder eine sehr fremde Art des Unterrichts. Viele Kinder sind begeistert dabei und folgen den Erklärungen genau. Es entstehen schöne Produkte. Nach dem Mittagessen (wie immer Reis und ein bisschen Gemüse) singen wir wieder gemeinsam. Mein Sitznachbar vom ersten gemeinsamen Singen, Fahim, begrüßt mich freudig und berichtet, dass seine Eltern auch am Parents-Day kommen werden. Er will sie mir dann vorstellen.
Nach dem Abendessen im Hostel proben wir das „Credo“. Unser kleines Orchester macht es ganz großartig und unterstützt den Chor.
Samstag, 26.10.2024 – Parents-Day
Heute ist der große Parents-Day in der Elu-School. Früh geht es mit den Bussen los und in der Schule werden wir schon von Lehrern, Elternvertretern und Schülern freudig mit Handschlag begrüßt: „How are you?“
Viele Reden, wir singen unsere Lieder und mit den Schülern zusammen „I have a Dream“. Erasto zieht in seiner Rede die Verbindung zwischen diesem Songs und den Schülern: Vielleicht sitzt ja unter euch der zukünftige Präsident von Tansania?
Die Kinder zeigen, was sie eingeübt haben – an den Geigen und Trompeten. Daneben gibt es viele Aktionen, die zeigen, was im Unterricht passiert: Volkstänze, Akrobatik und Gesang. Wir besichtigen das Internat. Hier gibt es keine geschlossenen Räume. Jedes Kind hat ein Bett und eine kleine Blechkiste für die persönlichen Dinge. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre und Freundlichkeit.
Abends sind wir der German-Act auf einer Hochzeit. Glitzer und Glamour, laute Musik aus schrillen Boxen – und dann wir mit Geigen und zartem Gesang. Wieder ein Erlebnis. Flughunde über uns, die uns mit ihrem Kot beglücke.
Sonntag, 27.10.2024 – großer Chor-Tag
Was war das heute für ein verrückter Tag? Morgens um 9.30 Uhr Abfahrt im Choroutfit. Dann geht es in die Kirche und dort haben wir als Sensation aus Germany unseren erste Auftritt: „Jesu, meine Freude“. Verhaltener Applaus, lange Reden der Geistlichen und Gebete. Weiter zur anderen Kirche in Morogoro. Mittagessen und ein kleines Päuschen. Der Schweiß läuft in Strömen, 38 Grad munkelt man. Dann das Konzert mit ungefähr zehn einheimischen Chören, die ihre Lieder präsentieren. Wir singen mal allein und mal mit anderen „Halleluja“ und „Jesu, bleibet meine Freude“. Den Abschluss bilden wir mit den Majestics: „Hebe deine Augen …“ und „Hüter Israels..“. Ein toller und bewegender Tag. Ich habe völlig vergessen, dass ich ja weiß bin und unter den Schwarzen natürlich auffalle. Ich bin eingetaucht in die Gruppen der Sänger.
Montag, 28.10.2024 – Nationalpark Mikumi
Morgens um 8.30 Uhr Start zum Nationalpark. Wir fahren durch das Land und bekommen die großen landschaftlichen Unterschiede mit: Savanne und dann wieder dicht bewachsene, fruchtbare Gegenden. Mit dem Guide geht es durch den Park. Offensichtlich sind wir zu spät. Viele Tiere haben sich in der Mittagshitze zurückgezogen und sind nicht mehr zu sehen. Giraffen, Zebras, Gnus, Antilopen, eine Elefanten-Mutter mit ihrem kleinen Kind tauchen doch noch auf. Und Schlammhaufen in einem Tümpel. Die sich dann als Flusspferde outen. Natürlich kreuzen viele Affen unseren Weg.
Abends sind wir in der Lodge Mantis untergebracht. Ein tolles Abendessen und Singen am Lagerfeuer. Das ist nicht nur stimmungsvoll, sondern vertreibt gleichzeitig auch die wilden Tiere. Die hatte ich ganz vergessen.
Dienstag, 29.10.2024 – Sanje Waterfalls
Warzenschweine begrüßen uns am Morgen und machen deutlich, wo wir uns befinden. Mit den Bussen geht es weiter zu den Sanje Waterfalls. Unterwegs ein Stopp an einem kleinen Lokal-Markt. Die Marktleute begrüßen uns freundlich und wir sind wieder die Attraktion. Bei den Wasserfällen erwartet uns eine herausfordernde Wanderung. Alle sind später froh, wieder im Bus zu sitzen und Richtung Morogoro zu fahren. Gegen 21.30 Uhr erreichen wir wieder das Hostel, unser „Zuhause“.
Mittwoch, 30.10.2024 – Tag der Abschiede
Morgens ist frei, Zeit zum Kofferpacken. Einige gehen noch einmal in die Stadt, andere noch einmal in die Schule oder entspannen sich im Hostel. Interessierte können das Hospital besichtigen. Wie gut geht es uns eigentlich hier in Deutschland? Das wird so richtig deutlich, wenn man diese Räumlichkeiten sieht. Kaum zu glauben, wie hier behandelt und offenbar auch geheilt wird. Wir sehen Behandlungsräume, den Kreißsaal, das Medikamentenlager … Hier muss man doch helfen!
Nachmittags kommt die Majestic Group und singt noch einige Lieder mit uns. Dann der erste Abschied.
Anschließend fahren wir zu Erasto – tolles Essen wird angeboten. Wir machen eine Modenschau mit allen neuerworbenen Kleidungsstücken. Der zweite Abschied von Happy steht auf dem Programm. Erasto wird uns noch bis zum Flughafen begleiten.
Der dritte Abschied von Schwester Jacintha, Raffael und Richard aus dem St. Thomas Hostel. Gemeinsam singen wir und beteuern „…wir sehen uns wieder!“
Donnerstag, 31.10.2024 – Waldorfschule Hekima in Daressalam
Um 6 Uhr geht es mit Sack und Pack nach Daressalam. Eine mehr als fünfstündige Fahrt im vollgestopften Bus. Plötzlich setzt Regen ein. Auf dem Rastplatz schwimmt alles in wenigen Minuten. Wahre Sturzbäche. Aber dann hört der Regen auf und wir kommen bei Sonne und hoher Luftfeuchtigkeit in Daressalam an. Dort besuchen wir die Waldorfschule und sind mit Orchester und Chor Teil einer Monatsfeier. Die Schule plant ein neues Gebäude für die Oberstufe und zeigt stolz die Pläne und den Platz, an dem es entstehen soll. Mir scheint es noch ein weiter Weg zu sein, bis diese Pläne in die Realität umgesetzt werden können.
Voller Vorfreude starten wir in Richtung Beach-Ressort am Indischen Ozean. Als wir erfahren, dass die Gruppe nicht gemeinsam an einem Ort untergebracht werden kann, gibt es den ersten Unmut. Einige von uns müssen in eine Unterkunft ca. 20 Busminuten entfernt fahren. Nach anfänglicher Enttäuschung arrangieren wir uns mit der neuen Situation. Die Wut auf das Hotel bleibt, man hat uns kräftig belogen.
Freitag, 01.11.2024 – Strandtag
Ein Strandtag ohne Programm. Nur zu den Essenszeiten findet die Gruppe zusammen. Der Pool und das Meer laden zum Schwimmen ein, wenn das Wasser gerade dort ist. Am Strand kann man zum nächsten Ort laufen – aber es ist ziemlich heiß, sodass man es auch gut im Schatten der Sonnenschirme mit Blick auf den Ozean aushält.
Abends wird von zwei Gruppenmitgliedern eine Einführung in Salsa angeboten. Trotz Hitze macht diese schweißtreibende Aktivität den meisten Spaß.
Samstag, 02.11.2024 – letzter Tag in Tansania
Letzter Strandtag. Abends gibt es eine lange, weiße Tafel am Pool. Dankesreden und Trinkgeld für die tollen Busfahrer. Eine Dankesrede für Sonja und Kolja für die fantastische Organisation und diesen Einblick in eine andere Welt. Ein Feuer am Strand, eine Geschichte von Erasto, die noch einmal deutlich macht, wie wertvoll ihm unser Besuch und die Wertschätzung durch uns ist. Dadurch bekommt er Kraft für seinen Schulalltag und für die neuen Projekte, die vor ihm liegen.
Abschied von Thomas und Britta, die noch eine Woche in Daressalam bleiben, beendet den Tag. Alle versuchen noch ein bisschen zu schlafen, bevor es um 1 Uhr nachts zum Flughafen geht.
Sonntag, 03.11.2024
Am Flughafen verabschieden wir uns von Erasto und Sonja und Kolja, die noch eine Woche in der Elu-School bleiben. Die drei fahren mit den Bussen zurück nach Morogoro und wir stellen uns in die Schlange zum Einchecken. Ab jetzt läuft es dann ganz anders als geplant, aber das ist eine andere Geschichte und soll den wunderbaren Aufenthalt der letzten zwei Wochen nicht überschatten. Für viele von uns heißt es „… und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand …“